Bockenheim schreibt ein Buch: 40 Autoren – 40 Facetten Interview mit dem Verleger und Krimi-Autor Gerd Fischer
Bockenheim-Aktiv.de(BA): Wie kamen Sie auf die Idee „Bockenheim schreibt ein Buch?“ Ich lebe und arbeite nun seit ca. 20 Jahren in Bockenheim und treffe dabei immer wieder auf Menschen, die mir im Laufe eines Gesprächs sagen: „Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen …“ Da dachte ich mir: Ja, das sollten sie, denn viele Geschichten gehen ansonsten verloren.
BA: Wie war die Resonanz auf Ihren Aufruf, bei dem Buchprojekt mitzumachen? Am Anfang macht man sich natürlich Gedanken: Interessiert das überhaupt jemand? Schreibt dann auch einer etwas? So war die Resonanz größer als ich gedacht hatte, es kamen fast 60 Beiträge, wesentlich mehr als wir aufnehmen konnten. Der älteste Schreiber ist 90 Jahre alt, die jüngsten um die 20. Ein breites Spektrum, - auch in den Nationalitäten. Ich habe mich sehr gefreut über die Vielfalt der Autoren, - aus der Türkei, Griechenland, Mexiko usw. Das zeigt die Vielfalt Bockenheims. Auch inhaltlich wird es ganz bunt: Neben einem Bockenheim-Rap gibt es Adorno-Anekdoten und natürlich auch eine Liebesgeschichte! Natürlich spielt der Abriss bzw. die Sprengung des AfE-Turms eine Rolle, - es gibt Geschichte und Gedichte. Das Buch ich so vielfältig und bunt wie Bockenheim.
BA: War es leicht für die Jury, die Beiträge auszuwählen? Ich bin froh und dankbar für das Engagement der Jury. Das sind die hr2-Moderatorin Daniella Baumeister, Ulrike Boessneck-Voigt, ehemalige Inhaberin der Bockenheimer Buchhandlung „Eselsohr“, Ingeborg Bellmann, Journalistin und Drehbuchautorin, und Andrea Habeney, selbst eine Autorin von Frankfurt-Krimis. Bei knapp 30 war man sich ziemlich schnell einig, dass sie unbedingt in das Buch aufgenommen werden sollen. Bei ca. 12 Texten gab es heiße Diskussionen. Ich kann mich da an einen sehr, sehr langen Abend erinnern. Das war nicht ganz einfach, die unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut oder in ein Buch zu bringen. Aber wir haben es geschafft und mit dem Ergebnis sind wir alle sehr zufrieden: 40 ganz unterschiedliche Texte, welche die ganz unterschiedlichen Facetten widerspiegeln!
BA: Wann wird das Buch das Licht der Welt erblicken? Am 1. Oktober werden wir es in der BockenheimBibliothek vorstellen. Mehrere Autoren werden Ausschnitte aus ihrem Text lesen. Daniella Baumeister und ich werden den Abend moderieren, - und es wird Zeit und Raum geben, mit den Autoren bei einem Glas Wein ins Gespräch zu kommen. Bevor der Termin überhaupt bekannt war, hatte ich schon ca. 100 Anmeldungen! Wir, der Verlag und die Autoren, freuen uns auf viele Besucher und einen „erlesenen“ Abend!
BA: Warum sollte man das Buch unbedingt kaufen Weil es ein gutes Geschenk für Weihnachten ist! … Spaß beiseite … und weil man Bekanntes neu entdecken kann und auch ganz neue Facetten von Bockenheim finden wird. Obwohl ich über 20 Jahren hier lebe, habe ich auch einiges dazugelernt!
BA: Was war für Sie neu? Es gibt ein offizielles Bockenheim, das in den Landkarten verzeichnet ist. Und ein gefühltes Bockenheim. Zum gefühlten Bockenheim gehören die Bockenheimer Warte, die ja genau genommen zum Westend zählt, das Senckenberg Museum, die Messe und der Palmengarten, - andererseits kommen City West, Kuhwald und Rebstockgelände im Denken und Schreiben über Bockenheim so gut wie gar nicht vor.
BA: Sie schreiben ja selbst Krimis und verlegen ihre und andere Bücher selbst. Wie kam es dazu? Oh, das war eigentlich gar nicht geplant. Es war anno 2010, ich war Krimi-Autor und hatte bereits einen Krimi veröffentlicht und stand kurz vor dem zweiten. Aber die Zusammenarbeit mit dem Verlag war so frustrierend, dass ich kurzerhand meinen eigenen Verlag gründete. Ich wollte mich nicht mehr so behandeln lassen und wollte zeigen, dass man es auch besser machen kann. So habe ich gelernt, wie es nicht laufen sollte und wie man Autoren nicht behandeln darf. Ganz blauäugig war ich ja nicht, - ich habe 12 Jahre für Werbeagenturen als Texter gearbeitet, sodass ich die Zusammenarbeit mit Druckereien kannte, und auch im Marketing/PR wie auch im Lektorat war ich fit. Ich kann Ihnen verraten, so ein Verlag ist kein normaler Job, sondern eine Lebensaufgabe. Meine Lebensaufgabe!
BA: Wie kamen Sie auf den tollen Namen mainbook? Dazu brauchte es zwei Flaschen Rotwein mit meiner Nachbarin, dann stand der Name im Raum: mainbook. Nachdem der Rotwein getrunken und der Kopf am nächsten Tag wieder klarer war, fragte ich vorsichtshalber noch einige Freunde, die fanden den Namen klasse. mainbook war geboren.
BA: Wann erschien Ihr erstes Buch in Bockenheim? Im Juni 2010: „Lauf in den Tod“. Das war ein tolles Gefühl! Aus meiner Frustphase mit dem Verlag hatte ich mehrere Manuskripte in der Schublade, die ich dann nach und nach veröffentlichte. So entstand meine eigene Krimi-Reihe mit dem Frankfurter Kommissar Rauscher, der gerne mal einen Apfelwein zu viel trinkt. Er hat inzwischen eine Art Kultstatus – zumindest bei einer eingeschworenen Leserschaft. Inzwischen sind sieben Bände erschienen. … und Rauscher hat immer noch Durst!
BA: Woher bekommen Sie den Stoff für Ihre Krimis? Für meine Krimis suche ich mir Stoffe, Themen, die aktuell und brisant sind, sie müssen gesellschaftsrelevant oder gesellschaftskritisch sein. Oft bilden reale Ereignisse, Nachrichten den Hintergrund oder Anlass. Dann recherchiere ich, führe viele Interviews, entwickle daraus meine eigene Geschichte. die eigentliche Kriminalstory ist aber fiktiv. So greift mein neuster Krimi „Abgerippt“ die Mietpreisexplosion in Frankfurt und die Verdrängung der Mieter aus ihren Stadtteilen auf, was insbesondere ältere Menschen folgenreich betrifft. Aber auch junge Menschen wie zum Beispiel bei mir im Haus. Im Krimi wird Rauschers Onkel aus seiner Mietwohnung zwangsgeräumt und am gleichen Tag liegt der Hausmeister tot im Hinterhof. Die Kripo um Rauscher kommt der Hausbesitzerin auf die Schliche, die mit mehr als dubiosen Methoden versucht, die Mieter aus dem Haus rauszumobben. … der Rest ist im Krimi nachzulesen. In „Paukersterben“ habe ich das Thema Cybermobbing aufgegriffen. Es spielt an einer Bockenheimer Schule. Bockenheim lässt einen einfach nicht los. Bockenheim inspiriert mich.
BA: Was ist das Besondere an mainbook? Das Besondere ist, dass der Verleger gleichzeitig auch Autor ist, so nehme ich immer beide Perspektiven ein. Das ist ganz wichtig, denn ich beziehe meine Autorinnen und Autoren in alle Entscheidungen rund um ihre Bücher mit ein. Und weil ich auch als Lektor arbeite, gibt es sogar noch eine dritte Perspektive, die sich speziell der Texte annimmt und die sich immer wieder freut, wenn aus einem guten Manuskript ein noch tolleres Buch wird. Hinzu kommt, dass ich nicht nur meine Bücher verlege, sondern über meinen Verlag die Bücher von über 20 Autoren. Und natürlich deren eBooks, die für den Verlag sehr wichtig sind. So hat sich das Spektrum über die Jahre ständig erweitert; neue Themen, Genres und Segmente. Der eBook-Markt ist inzwischen ein sehr wichtiges Segment geworden, insbesondere für die Genreliteratur wie Krimis, Thriller, Fantasy, Erotik, Liebesgeschichten etc.
BA: Was sind die nächsten Meilensteine für mainbook? Ich freue mich sehr darauf, „Bockenheim schreibt ein Buch“ am 1. Oktober in Bockenheim vorzustellen. Mitte Oktober ist dann die große Frankfurter Buchmesse, auf der der mainbook-Verlag erstmals mit einem Stand vertreten sein wird. Es wird auch dort Lesungen und Veranstaltungen geben. Es lohnt sich also, bei uns vorbeizukommen: Halle 4.1. Stand D67. Ich hoffe, möglichst viele Bockenheimerinnen und Bockenheimer an unserem Stand begrüßen zu dürfen. Dann wird es noch einen Termin in einer Bockenheimer Buchhandlung geben, die Leser von Bockenheim-Aktiv.de werden gewiss rechtzeitig informiert sein.
BA: Was macht mainbook nach dem Bockenheim Buch? Ich habe schon ein paar Ideen, die sind aber noch nicht ganz spruchreif. Ob es nach dem Bockenheim-Buch ein Frankfurt-Buch, dann ein Hessen-Buch und dann ein Rest-der-Welt-Buch geben wird, bezweifle ich. Aber es kommt noch etwas nach! Ganz gewiss!
BA: Ich bedanke mich für das facettenreiche Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrem Verlag alles Gute!
Das Interview führte Otto Ziegelmeier für Bockenheim-Aktiv.de (24.08.2015).
|